Ressourcen stärken mit Bewegung
03.03.2025 ALTENPFLEGE 2025 Experten-Wissen

Ressourcen stärken mit Bewegung

Ein ganzheitlicher Ansatz, der Bewegung, Prävention und Technologie verbindet, bietet die besten Voraussetzungen für ein Altern in Würde.
Lassen Sie sich von den Ausstellenden in Halle 9 inspirieren, wie innovative Produkte und Konzepte dazu beitragen.

Ein Mann erklärt mehreren Menschen ein Produkt für die Pflege | ALTENPFLEGE

Ressourcen stärken mit Bewegung

Bewegung ist der Schlüssel zu einem gesunden Altern. Das wurde auf dem bestform-Kongress der Klinik für Präventive Sportmedizin und Sportkardiologie der Technischen Universität München (TUM) im Oktober deutlich. Experten aus Geriatrie, Sportmedizin und Sportwissenschaft betonten, dass gezieltes Training die Lebensqualität älterer Menschen verbessert und Pflegebedürftigkeit hinauszögern kann. Dr. Stefan Arend vom Institut für Sozialmanagement und Neue Wohnformen: „Wir wissen heute, was wir tun müssen, um bis ins hohe Alter fit zu bleiben.“

Fitness bis ins hohe Alter: das bestform-Programm

Das bestform-Programm, ein multimodales Trainingskonzept aus Kraft-, Koordinations- und Ausdauerübungen, ist speziell auf die Bedürfnisse älterer Menschen abgestimmt. Ziel ist der Erhalt von Mobilität und Selbstständigkeit. Der Kongress verdeutlichte, dass Bewegung nicht nur die körperliche Fitness stärkt, sondern auch soziale Kontakte fördert und den geistigen Abbau verlangsamen kann. Durch die regelmäßige Teilnahme an Bewegungsprogrammen lassen sich positive Effekte auf vielen Ebenen erzielen.

Wissenschaftliche Studien untermauern den Erfolg

Bereits in einer Pilotstudie 2018/19 konnte die Machbarkeit des bestform-Programms erfolgreich gezeigt werden. In zwei Senioreneinrichtungen nehmen 42 Prozent der Bewohner:innen bis heute regelmäßig teil, berichtet Stiftsdirektorin Lisa Brandl-Thür, die das Programm seit der Pilotphase im KWA Stift Rupertihof begleitet. In einer anschließenden Studie mit 21 Einrichtungen und 400 Teilnehmern wurden die positiven Effekte des Programms wissenschaftlich bestätigt. 

Mit Bewegung gegen Stürze und zu mehr Wohlbefinden

[Studien zeigen, dass bis zu 92 Prozent der Bewohner:innen von Pflegeeinrichtungen überwiegend inaktiv sind. Das bestform-Programm setzt genau hier an. Laut Prof. Dr. Monika Siegrist von der TUM ist gerätegestütztes Training besonders effektiv, um Stürze zu vermeiden und die körperliche Leistungsfähigkeit zu erhalten. „Schon eine reduzierte Schrittzahl über 14 Tage führt zu einem signifikanten Leistungsabfall“, warnt der Heidelberger Geriater Prof. Jürgen Bauer. Regelmäßiges Training erhöht nicht nur die Sicherheit, sondern auch das Wohlbefinden und die Selbstständigkeit.]
Die Auswirkungen von Bewegung sind dabei weitreichend: Neben der Sturzprävention führt regelmäßige Aktivität zu einer besseren Balance und kann Schmerzen lindern. Vor allem in Pflegeeinrichtungen, wo Bewegungsmangel oft die Regel ist, stellt ein strukturiertes Bewegungsprogramm eine wichtige Ergänzung der Pflege dar. Es ermöglicht den Bewohner:innen, ihre Alltagskompetenzen länger zu bewahren.

Wie Bewegung Demenz beeinflussen kann

Regelmäßige körperliche Aktivität spielt eine entscheidende Rolle in der Betreuung von Menschen mit Demenz. Laut Physiotherapeut und Sportwissenschaftler Dr. Tim Fleiner verbessert Bewegung die Durchblutung des Gehirns, wirkt entzündungshemmend und stärkt kognitive Funktionen. Untersuchungen würden darauf hinweisen, dass demenzbedingte Abfallstoffe in den Zellen besser abtransportiert werden, wenn sich die Patienten mehr bewegen, so Fleiner.

Die neuen Demenz-Leitlinien empfehlen daher individuelle Bewegungsprogramme, darunter auch innovative Ansätze wie Exergaming (zusammengesetzt aus „exercise“ für „Übung“ und „Gaming“, auch Fitnessspiel genannt) oder Mind-Body-Übungen. Diese Ansätze können die Symptome von Demenz lindern, deren Fortschreiten verlangsamen und die Lebensqualität erheblich verbessern. Besonders wichtig ist, dass die Übungen auf die individuellen Fähigkeiten abgestimmt sind. So können selbst einfache Bewegungen, die regelmäßig durchgeführt werden, eine nachhaltige Wirkung entfalten.

Innovatives Pflegekonzept: Domino-Coaching

Das Berliner Pflegeunternehmen domino-world™ setzt auf ein Konzept, das Pflege als Coaching versteht. Statt klassischer Pflegeheime werden die Einrichtungen als „Clubs“ bezeichnet, in denen Bewohner:innen ein individuelles Trainings- und Therapieprogramm durchlaufen. Fachkräfte heißen dort „Domino-Coaches“. Sie erstellen nach dem Erstgespräch und einem geriatrischen Assessment ein „individuelles Stärken- und Schwächenprofil“, aus dem eine Zielvereinbarung abgeleitet wird. Um die Ziele zu erreichen, gibt es Gruppenübungen, Kraft- und Zirkeltraining sowie tägliche Bewegungsübungen, die Selbstständigkeit und Wohlbefinden fördern.

Lutz Karnauchow, Gründer von domino-world™ und Entwickler des domino-coaching Pflegekonzepts, betont: „Es geht nicht darum, das Altern aufzuhalten, sondern weniger abhängig zu sein und ein glücklicheres Leben zu führen.“ In einigen Fällen können Patienten bereits nach drei bis sechs Monaten in ihre eigene Häuslichkeit zurückkehren. Diese Erfolge verdeutlichen, wie wichtig es ist, innovative Pflegekonzepte zu fördern, die den Menschen in den Mittelpunkt stellen und seine Ressourcen stärken.

Sturzprävention: Neue Leitlinien und Technologien

Die Bundesinitiative Sturzprävention (BIS) hat 2023 ihre Leitlinien aktualisiert, um Stürze und deren Folgen bei älteren Menschen zu minimieren. Für Senioren mit moderatem Risiko wird ein Mix aus Gruppentraining und individuellen Einheiten empfohlen. Bei hohem Risiko kommen komplexe Interventionen zum Einsatz, darunter Gleichgewichtstraining und spezifische Bewegungsabläufe wie das eigenständige Aufstehen vom Boden, um Liegezeiten im Falle eines Sturzes zu minimieren.

Ergänzend arbeitet die TH Köln an KI-gestützten Sturzerkennungssystemen. Diese Sensoren können laut Projektleiter Prof. Dr. Axel Wellendorf am Institut für Allgemeinen Maschinenbau der TH Köln Stürze mit einer Genauigkeit von 98 Prozent erkennen und Pflegekräfte sofort informieren. Das Ziel ist es, Stürze frühzeitig zu erkennen und die Folgen zu minimieren. Diese Technologie könnte in Zukunft einen entscheidenden Beitrag zur Sicherheit in Pflegeeinrichtungen leisten und gleichzeitig das Pflegepersonal entlasten.

Bewegungssensoren steigern die Sicherheit

Technologische Hilfsmittel wie Bewegungssensoren gewinnen in Pflegeheimen an Bedeutung. Sie helfen nicht nur bei der Sturzerkennung, sondern auch bei der Prävention von Dekubitus. Drucksensoren in Betten erfassen Positionsänderungen und können die Sicherheit und das Wohlbefinden der Bewohner:innen erheblich steigern. „Technologie wird ein integraler Bestandteil moderner Altenpflege“, betont Dustin Feld von Medifox. Gleichzeitig ermöglichen solche Systeme eine präzisere Betreuung, da sie relevante Daten über die Bewegungsmuster der Bewohner:innen liefern.

Mobilität vor Hilfsmittel: Dekubitus vorbeugen

Immobilität ist eine der Hauptursachen für Dekubitus. Daher sollte vor dem Einsatz von Hilfsmitteln stets geprüft werden, ob die Mobilität der Bewohner:innen verbessert werden kann, erklärt Pflegeexperte Gerhard Schröder. Erst wenn Eigenbeweglichkeit nicht mehr ausreichend ist, kommen Hilfsmittel zum Einsatz. Bewegung bleibt der wichtigste Faktor, um gesundheitliche Komplikationen zu vermeiden und die Lebensqualität im Alter zu erhöhen.


Tipp: Masterclass zum Forschungsprojekt Bestform
Besuchen Sie die Session "Fitness im Alter – Das Trainingsprogramm Bestform als Schlüssel für eine gelingende Pflege" am Donnerstag, 10. April, von 14:00 Uhr bis 15:00 Uhr mit Dr. Stefan Arend und Professorin Monika Siegrist von der Technischen Universität München (TUM). Erleben Sie, wie auch Ihre Bewohner:innen von einem altersgerechten körperlichen Training profitieren.
https://www.altenpflege-messe.de/de-de/kongress-programm